Renzension von Gerhard Hekele
Nach dem Lesen dieses Buches hat man doch sehr ambivalente Gefühle, was die Person von Susan Sontag angeht. Auf der einen Seite ist man erstaunt über das Kraftwerk, was in ihr vorhanden war. Unzählige menschliche Begegnungen, ein überbordendes Experimentieren auf allen menschlichen Feldern. Mit erstaunlichem Mut und Engagement wirft sie sich in eine Vielzahl von Liebesabenteuer, Beziehungen, Liebschaften und längeren Verhältnissen. Zu dieser Zeit und vor allem in ihrer ersten Lebenshälfte waren ihre homosexuellen Beziehungen sicherlich gewagt. Mit einem ungeheuerlichen Mut beteiligt sie sich zudem an allen möglichen Debatten. Sie ist unter anderem engagiert in Vietnam und in Bosnien. Ihre Haltung ist meist sehr konfrontativ und sie legt den Finger geschickt oder auch manchmal etwas verunglückt in politische Missstände.
Enorm vielseitig ist auch ihre Schaffenskraft. Sie schreibt Texte über die Hochkultur, Theater, Ästhetik, Psychoanalyse und Fotografie. Sie zeigt sich als Theaterregisseuren, Aktionskünstlerin und schreibt über Bildende Kunst. Sie lässt also kein Gebiet aus.
Erstaunlich ist ihr unermüdliches Engagement. Auch hat sie Kontakt zu nahezu jeder Berühmtheit auf diesem Gebiet – von Andy Warhol bis Sartre. Man fragt sich, woher Sie die Zeit genommen hat, auf so vielen Schauplätzen aktiv zu sein.
Als Mensch ruft sie doch sehr zwiespältige Gefühle hervor. Sie hatte wohl bei allen intellektuellen Fähigkeiten doch große Defizite, was ihr Einfühlungsvermögen und ihre Empathiefähigkeit anbelangt. Immer wieder gab es ihrerseits große Kränkungen und Verletzungen gegen ihre Mitmenschen. Sie scheute sich nicht gnadenlos auszuteilen und Menschen gnadenlos zu kränken und zu demütigen.
Für Susan Sontag-Fans ist die Lektüre eine wahre Fundgrube. Die Biografie ist leicht verständlich und gut geschrieben. Auch als Zeitdokument ist diese fundierte Recherche unbedingt empfehlenswert. Als Protagonistin und als redegewandte Frau war sie ihrer Zeit doch einiges voraus. Oder auch die Homosexuellen-Bewegung hat sie nach vorne getragen.
Was einen doch erstaunen lässt ist, dass eine solche Ikone der Hochkultur in ihrem persönlichen Umfeld so viele Kränkungen geschaffen hat, hinterlässt doch einen sonderbaren Beigeschmack. Der Biograph, Benjamin Moser, hat auch die Abgründe ihres Lebens sehr detailliert herausgearbeitet.