Blick nach Rechts

Versuch einer Visualisierung des Rechtsextremismus in Berlin

Königs-Wusterhausen ist idyllisch und friedlich. Gleich in der Hauptstraße, hinterm Bahnhof trinke ich an einem von Deutschen geführten Fischstand einen Kaffee, um anzukommen und in die Atmosphäre einzutauchen. Direkt neben dem Fischstand ist ein von Arabern geführter Obststand. Ein Beispiel für ein funktionierendes kulturelles Miteinander. Unerwartet bietet der deutsche Fischstandbesitzer allen ein Stück Kuchen an. Sind es Vorurteile, die mich hierher führten. Was habe ich erwartet?  Beobachten kann ich einen freundlichen Umgang zwischen den Kulturen. Diese erste Erfahrung habe ich nicht erwartet. KW  ist als einschlägig rechtes Pflaster bekannt, weil einmal pro Jahr rechtsextreme Neonazis durch die Stadt marschieren und  der  Textilhersteller  Thor Steinar dort fabriziert. Diese Klamotten sind in der rechten Szene sehr beliebt und teilweise vom Verfassungsschutz verboten.

Auf den ersten Blick scheint das Zusammenleben zwischen den Kulturen hier bestens zu funktionieren. Die Araber vom Gemüsestand haben keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Stadt Halbe, etwa 30 Kilometer entfernt sei rechtsextrem, hier ist es aber nicht so. Also kein rechtsextremer Ort? Wie wird das rechtsextreme sichtbar. Kann ich es festhalten? Ideologisches Gedankengut ist subtil, nicht zu greifen, nicht auf den ersten Blick sichtbar. Auf der Suche nach dem Rechtsextremismus begegnen mir etwa 10  jugendliche Antifas. Läßt die Anwesenheit von Antifas auch auf Rechtsextreme schließen?

Ein Antifa wohnt im Schenkendorfer Flur in Königs-Wusterhausen und möchte so schnell wie möglich weg von dort. Der Druck sei groß dort und es gäbe dort viele  Rechtsextremisten. Die jungen Antifa geben mir einen Tipp. In der Hauptstraße auf dem Hinterhof befindet sich ein Laden, indem ideologisch rechts besetzte Ware vertrieben wird. Der Laden war geschlossen. Im Fenster militärische NVA – Relikte aus der DDR-Zeit. In einer Boutique in Königs-Wusterhausen werden  Thor Steinar –Klamotten verkauft.

In Hohenschönhausen ist der Prerower Platz berüchtigt für die rechte Szene. Der Tattooladen Kategorie C und der Germanenhof. Als Kategorie C werden von der Polizei die gewaltbereitesten Hooligans bezeichnet. Die zum Verkauf angebotenen T-Shirts und andere Gegenstände sprechen für sich. Die Antifa von Hohenschönhausen macht auf ihrer Internetseite auf beide Läden aufmerksam und  versucht den rechten Aktivismus zu verhindern. Auch im Lindencenter wird im „Doorbreaker“  ein reichhaltiges Sortiment von  der Marke Thor Steinar vertrieben. In Hohenschönhausen ist rechtes Gedankengut offenbar tief verwurzelt.

Eine Studie ergab, dass es am Prerower Platz in Hohenschönhausen einen „Mainstream“ rechtsextremer Orientierungen in der Bevölkerung gibt. Als Reaktion bildete sich die Bürgerbewegung und veranstaltete Demonstrationen gegen die NPD als bewusstes Signal an die Rechten: Dieser Platz gehört euch nicht! Die Antwort waren Drohungen und Überfälle. Ende September kam es zum vorläufigen Höhepunkt: Ein 14-jähriger Punk wurde von fünf Rechtsextremen brutal zusammengeschlagen.
Sorgen macht der Bürgerinitiative vor allem die wachsende rechte Infrastruktur. Ein paar Meter weiter hat der „Germanenhof“ neu eröffnet.
41% aller fremdenfeindlichen Gewalt passiert in Marzahn. Der S-Bahnhof in Marzahn ist ziemlich trist. Ich gehe die Treppe hinunter. Mitten in der weitläufigen Unterführung betreiben zwei asiatische Frauen einen Blumenladen. Direkt am Ausgang ein türkischer Imbiss.

Ein kulturelles Mit- und Nebeneinander ist scheinbar hier möglich.  Und Mitten zwischen den Hochhäusern wieder ein kleiner verlassener Tai-Imbiß.
In der Arkaden, der Einkaufmeile und Marzahns kulturellem Zentrum werden Bundeswehrparkas verkauft. Dafür scheint es hier eine Nachfrage zu bestehen.
Ich frage im Jugendzentrum nach
, welche Erfahrungen hier mit Rechtsextremismus gemacht werden. Nein, hier gäbe es keine Probleme mit rechtextremen  Jugendlichen. Momentan machen Drogen und Alkohol mehr Probleme als Rechtsextremismus.  Die Besucher dieses Jugendhauses sind zwischen 9-14 und vielleicht noch zu jung, so die Leiterin des Jugendhauses. Vor ein paar Wochen hat ein Jugendlicher ein Hackenkreuz an die Außenfassade des Jugendhauses gemalt. Die Jugendhausleiterin meinte, er wurde mit Hausverbot bestraft und hat seine Tat gleich bereut und sein Graffiti gleich wieder weggewischt.

Aber auch in den Innenbezirken, in der Bornholmer Straße im Prenzlauer Berg, gibt es im Hara Kiri ein reichhaltiges Sortiment an rechtsextremen Material. CD’s, T-Shirts und ACAB-Broschen. ACAB ist die Abkürzung für „All Cops Are Bastards” (Alle Polizisten sind Bastarde) .
Ein rechtsextremer, etwa 13-jähriger Jugendlicher mit rassierten, blonden Haaren,  LONSDALE-T-Shirt, Pit-Bull-Jeans und Springerstiefel deckt sich mit einem Odin-Schmuckanhänger und einer rechtsextremen CD ein. Er möchte nicht fotografiert werden. Seine Eltern wissen zwar um seine Gesinnung, die er mit schlechten Erfahrungen mit Ausländern begründet. Ein Afrikaner verirrt sich in den Harakiri-Laden.

Völlig ahnungslos um die rechte Symbolik, die sich einem schon in der Schaufensterdekoration aufträgt, hat er den Laden betreten. Häufig ist das Rechtsextreme nicht auf den ersten Blick sichtbar und offenbart sich nur für den eingeweihten Betrachter.