Tobias Kratzers Inszenierung von Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ zeigt eindrucksvoll die zeitlose Relevanz der Oper. Die Themen Kinderlosigkeit, Partnerschaftskrisen und familiäre Verantwortung sind heute so aktuell wie vor 100 Jahren – nur mit anderen gesellschaftlichen Vorzeichen. Der Regisseur setzt auf eine realistische Ästhetik, die den Mythos ins Hier und Jetzt holt. Doch genau hier liegt die Schwäche: Die magische Ebene der Oper bleibt weitgehend auf der Strecke.

Rainer Sellmaiers Bühnenbild bietet klare Kontraste zwischen der privilegierten Welt des Kaiserpaars und dem tristen Alltag des Färberpaares, jedoch ohne tiefere Symbolik. Wo Strauss’ Musik Traum und Realität verschmelzen lässt, bleibt die Optik nüchtern. Dennoch beeindruckt die technische Umsetzung: Die rasanten Umbauten zwischen den Szenen sind ein Spektakel für sich – eine Art Bühnenakrobatik, die präzise und mit beeindruckender Leichtigkeit ausgeführt wird.
Ein diskussionswürdiges Detail ist das subtile Product Placement: Der Falke, traditionell Symbol für Leidenschaft und Jagd, erscheint in Form eines Amazon-Pakets – eine ironische Brechung, die nicht nur den Konsumwahn thematisiert, sondern auch auf die finanziellen Herausforderungen großer Opernhäuser verweist. Besonders einprägsam ist die Szene, in der die Färberin mit wilder Geste Kinderschokoladen Bons auf den Boden schleudert – ein überdeutliches, fast groteskes Bild für unerfüllten Kinderwunsch und innere Zerrissenheit.

Kratzers Inszenierung überzeugt mit gesellschaftlicher Relevanz, bleibt aber visuell oft zu prosaisch. Die Musik entfaltet ihre ganze emotionale Wucht, doch das Bühnenbild hält sich zu sehr an die Realität. Was bleibt, ist ein Abend mit starken Stimmen, beeindruckender Bühnentechnik – und einer ungewöhnlichen Mischung aus Sozialdrama, Märchenfragmenten und provokanter Produktplatzierung.