„House“ – Das Bühnenstück von Amos Gitais 

Amos Gitais „House“ ist eine Adaption seiner gleichnamigen Dokumentarfilmtrilogie, die über Jahrzehnte das Schicksal eines Hauses in Westjerusalem und seiner wechselnden Bewohner*innen beleuchtet. Die deutsche Erstaufführung dieses Stücks findet am 15. und 16. Juni im Haus der Berliner Festspiele statt. Obwohl Gitai auf eine beeindruckende Besetzung und eine vielfältige musikalische Untermalung setzt, kann das Stück die Tiefe und Authentizität seiner Dokumentarfilme nicht vollständig erreichen.

Die ursprüngliche Trilogie (1980, 1998, 2005) von Gitai ist ein Meisterwerk des Dokumentarfilms, das die Geschichten von Menschen und ihren Lebensräumen mit einer Intensität und Echtheit einfängt, die durch die unmittelbare Präsenz der Protagonisten vermittelt wird. In der Bühnenadaption hingegen fehlt dieser direkte Zugang zu den realen, unverfälschten Erlebnissen der Menschen, die das Haus bewohnten und umbauten. Stattdessen wird das Publikum durch die Interpretationen von Schauspieler*innen geführt, was zwangsläufig eine Ebene der Distanz schafft.

Nichtsdestotrotz gelingt es Gitai, einige der emotionalen und historischen Spannungen, die das Haus symbolisiert, auf die Bühne zu bringen. Die Besetzung ist bemerkenswert: Mit der renommierten französischen Schauspielerin Irène Jacob und einer Gruppe israelischer und palästinensischer Darsteller*innen, darunter Bahira Ablassi und Menashe Noy, wird eine multikulturelle Perspektive geschaffen, die die Vielschichtigkeit des Nahostkonflikts widerspiegelt. Kioomars Musayyebi, der iranisch-deutsche Musiker, ergänzt die Inszenierung mit musikalischen Einlagen, die verschiedenen kulturellen Traditionen entspringen.

Die Inszenierung von „House“ ist ein Versuch, einen gleichberechtigten Dialog zwischen israelischer und palästinensischer Geschichte zu schaffen. Gitai stellt unterschiedliche Erinnerungen und Wahrnehmungen nebeneinander: die Erleichterung über die Errichtung eines jüdischen Staates und die Verzweiflung über die Vertreibung der Palästinenser*innen. Diese Gegenüberstellung wird mit der zurückhaltenden Geste eines aufmerksamen Beobachters präsentiert, doch der dokumentarische Ursprung der Geschichten verleiht ihnen eine Schärfe, die auf der Bühne nur schwer nachzubilden ist.

Das Haus selbst, einst im Besitz eines palästinensischen Arztes und später von jüdischen Immigranten und einem israelischen Ökonomen bewohnt, ist ein Mikrokosmos der Konflikte und Veränderungen, die den Nahen Osten prägen. Die Erzählungen der ehemaligen und aktuellen Bewohner*innen und der palästinensischen Arbeiter, die am Umbau des Hauses beteiligt sind, formen ein komplexes Geflecht an Perspektiven und Erinnerungen. Diese narrative Tiefe bleibt jedoch in der Bühnenversion teilweise auf der Strecke, da die direkte Authentizität der Dokumentarfilme fehlt.

Die Relevanz dieser Geschichten wird durch die aktuellen Ereignisse im Gazastreifen unterstrichen. Nach den verheerenden Angriffen vom 7. Oktober und der darauffolgenden Eskalation haben sich die Spannungen dramatisch zugespitzt. Die Entführung von Geiseln und die erschütternden Verluste von über 40.000 palästinensischen Leben verdeutlichen die fortdauernde Tragödie und die Dringlichkeit eines Dialogs zwischen den Konfliktparteien. Gitai gelingt es, diese Kontinuität des Konflikts und die damit verbundenen menschlichen Schicksale darzustellen, auch wenn die dokumentarische Intensität auf der Bühne nicht ganz erreicht wird.

Insgesamt bietet „House“ als Theaterstück eine engagierte Auseinandersetzung mit einem historischen und kulturellen Thema von großer Bedeutung. Doch für diejenigen, die die rohe Authentizität und die unmittelbare emotionale Kraft von Gitais Dokumentarfilmen kennen, bleibt die Bühnenadaption eine respektable, aber letztlich unvollständige Interpretation. Die wahre Stärke von „House“ liegt weiterhin in den dokumentarischen Wurzeln, die die Geschichten der Menschen und ihres Hauses so eindrucksvoll und nachhaltig eingefangen haben.